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Aktuelles zur Staatskunst:

Reform der Regeln der öffentlichen Kreditaufnahme

Beitrag von Matthias Woisin

Zur Reform der Regeln der öffentlichen Kreditaufnahme im Lichte der Diskussion des Arbeitskreises Staatsreform am 12.10.2021 mit Jens Südekum und Philippa Sigl-Glöckner:


Spielräume erkennen und nutzen

Im geltenden Verfassungsrahmen bleiben nur wenige und schwierig zu nutzende Möglichkeiten für die öffentliche Kreditaufnahme:

  • Kreditfinanzierte Eigenkapitalstärkungen für öffentliche Unternehmen, namentlich Investitionsgesellschaften, die im Regelwerk der Schuldenbremse als „finanzielle Transaktionen“ gestattet sind. Die so gestärkten Unternehmen wären dann zu erhöhter Kreditaufnahme befähigt.
  • Zukunftsbezogene Neuformulierung der „Konjunkturbereinigung“ mit einer Neujustierung der „Normallage“.
  • Massive Kreditaufnahme auf Ebene der EU-Kommission.


Grundlegender Reformbedarf

Auf europäischer Ebene sollte das Ziel eine Stärkung der nationalen Parlamente und ihrer nationalen Haushalte sein, weil nur dort – wenn überhaupt - demokratische Legitimation vorhanden ist. Der Königsweg wäre ein europäischer Finanzausgleich, der mit seinen Kooperationszwängen auch den Pfad zu einer Wirtschaftsunion legen würde. Auf dieser Grundlage wären die Regeln zur Kreditaufnahme Sache der nationalen Parlamente und der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ weitgehend obsolet. Dagegen liefe eine neue kreditfinanzierte Finanzfaszilität auf Kommissionsebene auf neue regulative Einschränkungen demokratisch legitimierter Politik auf nationaler Ebene hinaus.


Neue Fiskalregeln auf nationaler Ebene

Scheingenaue finanzstatistische und bürokratische Regulationen im Sinne der kontrollorientierten Governance-Philosophie der neunziger Jahre haben sich nicht bewährt. Eine Repolitisierung der öffentlichen Kreditaufnahme sollte daher vorzugsweise politische Maßstäbe und Verfahren formulieren:

  • Bund und Länder müssen sich kooperativ auf einen gemeinsamen Korridor der jährlichen Kreditaufnahme festlegen.
  • In diesem Zuge sollte auch der Ausgabenpfad für die öffentlichen Haushalte empfohlen werden gemäß der früheren Praxis des Finanzplanungsrates.
  • Der Stabilitätsrat sollte erweitert werden um die Vertreter der kommunalen Spitzenverbände und zur Kooperationsplattform ausgebaut werden.


Zielgrößen von Fiskalregeln

Die öffentliche Kreditaufnahme sollte eine Fiskalpolitik erlauben, die mit der Geldpolitik der EZB koordinierbar bleibt und Instabilitäten und Unausgewogenheiten ausgleicht. Der Staat muss seine Rolle als „Sparkasse“ seiner Bürger wieder aktiv annehmen und öffentliches Vermögen bilden, statt die Anlagewünsche des Publikums auf Immobilien und Aktien zu verweisen.

In den öffentlichen Haushalten sollte die Zinsbelastung und damit die Zins-Steuerquote die zentrale Beobachtungs- und Koordinierungsgröße sein. 

Ausgabenseitig sollte als Koordinierungsgröße an die Stelle des früheren Investitionsbegriffes ein neuer Begriff besonders zukunftsbezogener Kategorien treten, die klimapolitische Ziele, Nachhaltigkeit und Infrastruktur umfasst.

Länder und Kommunen müssen finanziell so zuverlässig und stetig ausgestattet werden, dass die Kreditaufnahme nicht zur einfachen Residualgröße zwischen Ausgaben und Steuereinnahmen wird.



(24.11.2021)


29 Sept., 2022
Beitrag von Matthias Woisin
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